Kündigungsrechte für Fondsanleger: Bundesgerichtshof und Reichsgericht geben ungeschriebenes außerordentliches Kündigungsrecht bei Falschberatung

Bei der Durchsetzung von Ratenzahlungsansprüchen gegen säumige Anleger, ist der schon seit Jahrzehnten geltende Grundsatz im Gesellschaftsrecht, dass langfristig laufenden Verträge aus besonderen Gründen jederzeit gekündigt werden dürfen zu beachten. Ein besonderer Grund ist es, wenn Anleger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Beitritt als Gesellschafter überlistet wurden. Nach hunderten Gesprächen mit betroffenen Anlegern wissen wir, dass dies in den meisten Fällen der Fall ist.

Viele Anleger glaubten, etwas mittels Raten anzusparen und erfahren erst jetzt nach der Mahnung, dass es keine Sparmöglichkeit sondern eine Ratenzahlungsverpflichtung gibt die sie eingegangen sind - vom verschwiegenen Totalverlustrisiko und dem nicht übergebenen Fondsprospekt ganz zu schweigen.

Vor Jahrzehnten in BGHZ II ZR 235/52 wurde Folgendes festgehalten:

(...)

Die rechtliche Begründung für die Ausschließbarkeit eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grunde liefert dagegen der sowohl das bürgerliche wie das Handelsrecht beherrschende Grundsatz, dass ein in die Lebensbetätigung der Beteiligten stark eingreifendes Rechtsverhältnis vorzeitig gelöst werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser Rechtsgedanke findet sich in den bereits erwähnten §§ 737 BGB, 140 HGB (vgl auch § 161 HGB für die Kommanditgesellschaft). Er hat auch noch mehrfach Niederschlag gefunden. So ist die Ausschließung aus der Genossenschaft aus den wichtigen Gründen des § 68 GenG möglich; Arbeitsverhältnisse und das Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Handlungsagenten können beiderseits aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt werden (§§ 626 BGB, 70, 92 Abs 2 HGB, 124 a, 133 b GewO); bei der OHG und der KG können Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis aus wichtigem Grunde entzogen werden (§§ 117, 127 HGB); aus dem gleichen Grunde kann die einem Gesellschafter der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft übertragene Geschäftsführungsbefugnis oder die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH widerrufen werden (§§ 712 BGB, 38 Abs 2 GmbHG); dasselbe gilt für die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzer des Vorstandes der Aktiengesellschaft (§ 75 Abs 3 AktG); die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft und die stille Gesellschaft sind aus wichtigem Grunde vorzeitig kündbar (§§ 723 BGB, 339 HGB); OHG, KG und GmbH können aus wichtigem Grunde aufgelöst werden (§§ 133, 161 HGB, 61 GmbHG). Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass sie die vorzeitige Lösung von Rechtsbeziehungen aus wichtigem Grunde vorsehen und dass sie Rechtsverhältnisse von längerer Dauer betreffen, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung mit sich bringen und ein persönliches Zusammenarbeiten, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten erfordern (RG 128, 1 (16); 148, 81 (92); 160, 257 (270); 169, 203 (207 m w Nachw); BGH NJW 1951, 836). Demzufolge hat das Reichsgericht beim Vorliegen eines wichtigen Grundes den fristlosen Austritt aus einem Verein zugelassen, auch wenn die Satzung nur die Aufkündigung der Mitgliedschaft unter Einhaltung einer bestimmten Frist vorsieht (Bd 130, 375). Nicht minder gerechtfertigt ist der Schluss, dass ein Vereinsmitglied ausgeschlossen werden kann, falls ein wichtiger Grund vorliegt und die Satzung die Möglichkeit des Ausschlusses nicht vorsieht (RGRKomm z BGB § 39 Anm 2; Erman BGB § 39 Anm 6 uva). Denn auf seiten des Vereins entspricht die Ausschließung der Kündigung. Ebenso führt jener allgemeine Rechtsgedanke für den GmbH-Gesellschafter zum fristlosen Austritt wegen wichtigen Grundes und auf der anderen Seite zur Ausschließung. Dass die Ausschließung des Gesellschafters der Kündigung entspricht, ist in den §§ 737, 140 HGB (vgl auch Art 128 ADHGB positiv-rechtlich niedergelegt. Bei der Verwandtschaft der GmbH mit den Personalgesellschaften und dem Verein wäre kaum zu verstehen, wenn die Ausschließung anders als bei ihnen nicht zulässig sein sollte. Die Rechtsgründe für die Ermöglichung der Ausschließung aus diesen Vereinigungen sprechen ebenso bei der GmbH für die Ausschließbarkeit, und das Bedürfnis hierfür ist nicht geringer als dort.


(...)

Bestätigt wurde dieser allgemeine Grundsatz in BGH - Entscheidungen vom 19.11.2013 für stille Gesellschafter bestätigt (II ZR 320/12 und II ZR 383/132) - nichts Anderes gilt für Treuhandkommanditisten.

Mit Urteil vom 20.01.2015, Az. II ZR 444/13, stärkte der BGH erneut die Rechte von Kapitalanlegern.

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Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen um Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist.
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Im zugrundeliegenden Fall beteiligte sich der Kläger als Treugeber an einem geschlossenen Fonds und war dabei gemäß dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags einem Gesellschafter gleichgestellt. Dies trifft auf einen Großteil der existierenden Fonds zu, welche üblicherweise in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG existieren. Die Anleger beteiligen sich dabei über einen Treuhänder als mittelbare Kommanditisten. Der BGH bestätigte nun eine vorvertragliche fehlerhafte Aufklärung als wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung der Beteiligung gegenüber der Fondsgesellschaft.
Dies folgt daraus, dass den Anlegern im Innenverhältnis alle Rechte zustehen, die auch ein Kommanditist hat.

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Zu diesen rechten gehört auch das Recht des Anlegers, sich durch eine außerordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen, wenn er – wie hier zu unterstellen ist – durch einen nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände zum Beitritt bestimmt worden ist.
(…)


Betroffenen Anlegern ist eine kostenfreie Ersteinschätzung zu empfehlen, da sich nicht jeder Fall dafür eignet, einfach mit der Ratenzahlung aufzuhören bzw. den "Kopf in den Sand zu stecken". Liegen Fälle von Falschberatung vor, können Anleger mit entsprechender rechtlicher Begründung sofort kündigen und haben ein Recht auf Auseindandersetzung. Das bedeutet jedoch nicht dass sie ihr Geld zurück bekommen sondern nur, dass der Wert ihres Fondsanteils berechnet und ein eventuelles Guthaben ausgezahlt werden muss. Sind diese Anteile wertlos, weil die Schulden des Fonds höher als die Verkehrswerte der Fondsobjekte sind, bekommt der Anleger gar nichts, ist aber von künftigen Verbindlichkeiten zu befreien. Einen Kapitalrückzahlungsanspruch gibt es leider in keinem Gesellschaftsvertrag der von geschlossenen Fonds.

Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

Rechtsanwalt Jens Reime
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